Bildung im Vorübergehen: Gesenius-Straße

23. November 2009: Ehrung für Wilhelm Gesenius (1786-1842), Theologe, Sprachforscher, Orientalist, Professor in Halle

Die Geseniusstraße liegt in dem Viertel südlich des Rannischen Platzes, sie verbindet die Wörmlitzer Straße mit dem Böllberger Weg. Ihren Namen erhielt sie 1901 nach dem berühmten Orientalisten und Theologen Wilhelm Gesenius, der drei Jahrzehnte zu den Gelehrten der Universität Halle gehörte.

Gesenius wurde am 3. Februar 1786 als Sohn eines Arztes in Nordhausen geboren. 1803 begann er das Studium der Theologie an der Universität Helmstedt. 1806 wurde er mit einer Dissertation über Ovid zum Dr. phil. promoviert. Er wechselte nach Göttingen, um als Repetent an der Theologischen Fakultät Philologische Vorlesungen zu halten. Nach Auslaufen der Stelle sah er sich vorübergehend gezwungen, am katholischen Gymnasium in Heiligenstadt zu lehren. Seine wissenschaftlichen Arbeiten hatten ihn inzwischen jedoch bekannt gemacht, so dass er im Alter von 24 Jahren von der Theologischen Fakultät der Universität Halle zum außerordentlichen Professor berufen wurde. Die Ablehnung eines Rufes nach Breslau ließ ihn schon ein Jahr später, 1811, zum Ordinarius aufsteigen.

Gesenius hielt Vorlesungen über das Alte Testament, Kirchengeschichte, biblische Archäologie sowie klassische Philologie und orientalische Sprachen. Seine Vorlesungen waren wegen ihrer Lebendigkeit, Klarheit und Anschaulichkeit beliebt. Otto Eißfeld schreibt in einer Würdigung:”Als Lehrer hat er eine ungemein erfolgreiche Tätigkeit ausgeübt. Viele Hunderte von Hörern füllten seine Vorlesungen, darunter eine große Zahl von Ausländern, und es gab damals keinen für das Hebräische und die orientalischen Sprachen aufgeschlossenen Studierenden, der nicht durch Gesenius’ Schule hindurchgegangen wäre.” Zu seinen Studenten gehörte unter anderem auch Rudolf Haym, der spätere Biograph Herders und Hegels, der in seinen Erinnerungen ein lebhaftes Bild von Gesenius’ Lehrweise vermittelt.

Seine schriftstellerischen Arbeiten machten ihn weit über Deutschlands Grenzen hinaus zu einer wissenschaftlichen Größe, und er trug wesentlich zum damaligen Ruhm der Hallenser Theologischen Fakultät bei. 1813 zeichnete ihn diese durch die Ernennung zum Ehrendoktor aus. Zu seinen größten Leistungen, die bis heute nachwirken, gehören das Hebräisch-Deutsche Handwörterbuch (1810/12), die Hebräische Grammatik (1813), die viele Auflagen erlebte und der dreibändige “Thesaurus der hebräischen und chaldäischen Sprache”, der ab 1835 erschien und von seinem Schüler Rödiger zum Abschluss gebracht wurde.

In der von ihm gestifteten bibelexegetischen Gesellschaft, in der er “durch Wort und Beispiel eine ganze Generation von Universitätsprofessoren und anderen Vertretern der Gottesgelehrtheit heranbildete”, gestattete er volle Redefreiheit und regte seine Schüler zum selbständigen Forschen an. Er kann als Begründer einer selbständigen semitischen Philologie bezeichnet werden. Er löste die hebräische Sprachforschung aus ihrer Abhängigkeit von der Theologie und stellte sie als ebenbürtig den übrigen Wissenschaften an die Seite.

1830 wurden seine akademischen Erfolge von einem Streit überschattet, dessen Auswirkungen die Universität erschütterten. In der Evangelischen Kirchenzeitung erschien ein schwerer Angriff auf Gesenius und seinen Kollegen Wegscheider mit dem Titel “Über den Rationalismus auf der Universität Halle”. Der Urheber kam aus dem pietistisch geprägten Kreis um August Tholuck. Den beiden Wissenschaftlern wurde vorgeworfen, durch “ihren glaubensfeindlichen Rationalismus“ „alles, was die evangelische Kirche in ihren Bekenntnisschriften als ewig göttliche Wahrheit anerkenne, als Irrtum darzustellen und zu bekämpfen”. Der Schmähartikel führte auf Veranlassung des preußischen Königs zu einer „hochnotpeinlichen Untersuchung“, die allerdings zugunsten der angegriffenen Gelehrten ausging.

Trotz dieser Anfeindungen lehnte Gesenius 1932 einen Ruf aus Oxford ab, woraufhin ihn die Stadt Halle zum Ehrenbürger machte.

Nach kurzer schwerer Krankheit starb Wilhelm Gesenius am 23. Oktober 1842 und wurde auf dem Innenfeld des Stadtgottesackers beigesetzt.

 

 

Quellen:
Stadtarchiv, Signatur FA 697
Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 9
Smend, Rudolf: Deutsche Alttestamentler in drei Jahrhunderten, Göttingen 1989

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