Mit der Rudolf-Ernst-Weise-Straße sind nun bereits 20 Straßen mit Zusatzschildern ausgestattet wurden. Für weitere mehr als 100 Straßen haben sich bereits interessierte Bürgerinnen und Bürger gemeldet. In den kommenden Wochen stehen die Paula-Hertwig-Straße und die Geseniusstraße auf dem Programm.
Initiatorin des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ ist Frau Ingeborg von Lips. Es wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch das Kulturbüro Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle sowie das hallesche Stadtarchiv. Eine aktuelle Übersicht über die Straßen, welche im Rahmen des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ in Vorbereitung bzw. schon realisiert sind, findet sich hier
Hintergrund zu Rudolf-Ernst-Weise-Straße
Die ursprüngliche Weisestraße, 1914 noch zu Lebzeiten Weises in dem neu angelegten Wohnviertel im Stadtbezirk Süd (gegenüber der Huttenstraße) so benannt, wurde auf Ratsbeschluss hin 1961 in Franz-Heyl-Straße umbenannt. 1995 wurde aus dem Abschnitt der Rudolf-Breitscheid-Straße, der sich zwischen Merseburger und Raffineriestraße in der Nähe des Hauptbahnhofes befindet, die neue Rudolf-Ernst-Weise-Straße gebildet.
Rudolf Ernst Weise wurde am 31. Dezember 1844 als zweiter Sohn des Landwirtes Eduard Weise in Holleben geboren. Durch den Einsatz des Dorfpfarrers konnte Rudolf Ernst mit Hilfe eines Stipendiums nach vier Jahren Dorfschule die Lateinschule der Franckeschen Stiftungen besuchen. Einer Lehre beim Schlossermeister Schwarz in der Breiten Straße, wo er eine gründliche praktische Ausbildung erhielt, schloss sich der Besuch der Gewerbeschule in Halle an, die in etwa mit einer Maschinenbauschule verglichen werden kann. Die knappen Mittel des Elternhauses erlaubten ihm nur ein kurzes Studium auf dem Polytechnikum in Hannover (ab 1879 “Technische Hochschule”). Die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, zwang ihn zum Abbruch des Studiums.
1864 begann er in der bekannten Maschinenfabrik Buckau bei Magdeburg, die die verschiedensten Anlagen wie Kessel, Dampfmaschinen, Förderanlagen, Kräne, selbst Flussdampfer, produzierte. Weitere Erfahrungen sammelte er in einer der führenden Maschinenfabriken der Zeit, Neumann & Esser in Aachen, sowie für kurze Zeit in Belgien. 1865 trat Weise seinen Militärdienst an. Im Feldzug 1866 wurde er bei Königsgrätz verwundet und entging nur knapp der Amputation seines rechten Arms.
1867 fand Weise seine erste Anstellung als Konstrukteur bei der 1857 gegründeten Firma A.L.G. Dehne, Eisengießerei, Maschinen- und Armaturenfabrik in Halle. In den folgenden zwei Jahren erregte er das Interesse der Fachkreise. Die Firma R. Riedel & Kemnitz warb den jungen Ingenieur 1869, hier rückte er schnell zum “Konstruktionschef” auf und wurde sogar bei der Mobilmachung 1870 für unabkömmlich erklärt und vom Militärdienst freigestellt. Die Zeit war gekennzeichnet durch eine stürmische technische und wirtschaftliche Entwicklung. Neugründungen auf dem Gebiet des Maschinenbaus und der Eisengießerei florierten. Zwischen 1860-70 gingen viele der größeren Betriebe in Aktiengesellschaften mit breiter Kapitalbasis über. 1872 wandelte sich auch die Firma Dehne in “Hallesche Maschinenfabrik und Eisengießerei AG” um.
Weise fasste den Entschluss, sich selbständig zu machen. Am 30. Januar 1872 gründete er zusammen mit Alexander Monski die Firma Weise & Monski. Monski betrieb eine kleine Eisengießerei, so konnten die eigenen Maschinen günstig hergestellt werden. Mit Hilfe seiner Ersparnisse erwarb Weise am Bahnhof (später Thielenstraße - heute Ernst-Kamieth-Straße) günstig ein Grundstück von ca. 1000 qm, auf dem ein Bürohaus und die erste Produktionsstätte, Maschinen- und Montagehalle, Lagerraum für Modelle, Guss- und Hilfsteile, sowie ein Kessel- und Maschinenhaus umfassend, gebaut wurde. Am Anfang stand die Produktion von Heizungen, Filterpressen, Werkzeugmaschinen, Maschinen für Zuckerfabriken, Ziegeleimaschinen, Dampfmaschinen, Dampflokomotiven und Pumpen. Durch eine Reihe von Erfindungen und Verbesserungen, die vielen Kunden eine Rationalisierung des Produktionsprozesses ermöglichten, erwarb sich Weise in kurzer Zeit einen Ruf und stellte sich in die Reihe der bedeutenden Industrieunternehmungen des deutschen Maschinenbaus. Die Hauptimpulse gingen von Weise aus, er war eigener Ingenieur, Konstrukteur und Außenbeamter. 1876 trennte er sich einvernehmlich von Alexander Monski, der wieder allein die Eisengießerei übernahm. Der Firmenname blieb jedoch erhalten.
Sicherlich hilfreich für den Entschluss, die Firma allein weiterzuführen, waren 20.000 Mark Mitgift, die 1875 durch die Heirat mit Henriette Martha Weise (sehr entfernt über die väterliche Linie mit Weise verwandt) zur Verfügung standen. Deren Vater war Mitinhaber der Halleschen Mühlenprodukte-Großhandlung “Weise und Pfaffe”. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Felix, Erich (die beide später in die väterliche Firma einstiegen) und Elsa (die es als Malerin zu lokaler Berühmtheit brachte). Nach Heirat wohnten die Weises zur Miete in der Königstraße. Erst zehn Jahre später bezogen sie ein eigenes großes Haus in der Landwehrstraße. Die Villa Weise in der Händelstraße 16 ließ Weise erst in seinen späteren Lebensjahren bauen.
Mit sicherem technischem Gefühl erkannte Weise die Bedeutung der schwungradlosen Dampfpumpe, innerhalb eines Jahrzehnts spezialisierte er sich auf den Bau von Pumpen, vornehmlich Kolbenpumpen. Hierbei spielte die Entwicklung im Braunkohletagebau eine entscheidende Rolle. Weise nahm Verbindung mit dem großen Braunkohleindustriellen Riebeck auf. Der Bedarf an Pumpen wuchs stetig. 1878, auf der Maschinenbauausstellung in Wien, lernte Weise die Duplex-Pumpe des amerikanischen Erfinders Henry Worthington kennen. Er entschloss sich, die Pumpe nach dem amerikanischen Vorbild ins Programm aufzunehmen und vervollkommnete sie im Laufe der Jahre. Zu dieser Zeit war die Firma bereits ein typisches Exportunternehmen, wie fast die gesamte mitteldeutsche Maschinenindustrie. Die Pumpen wurden für französische und belgische Bergwerke, die russische und rumänische Erdölindustrie, für Wasserwerke in Griechenland, sogar nach Indien und China geliefert. 1885 auf der Weltausstellung in Antwerpen erhielt die Firma eine Silbermedaille. Der Absatz sprengte den bisherigen Rahmen und brachte Millionen ein. Die bisherige Produktionsstätte am Bahnhof reichte nicht mehr aus. 1886 wurde das Werk erweitert durch Kauf der in Konkurs gegangenen Landmaschinenfabrik der Firma Bergmann & Schlee in der Merseburger Straße 149, einem Produktionskomplex auf 10.000 qm inklusive großem Verwaltungsgebäude.
Auf der Grundlage erfolgreicher Vertreterverbindungen gründete Weise etliche Filialen im In- und Ausland (Berlin, Hamburg, Dortmund, Düsseldorf, Gleiwitz, Moskau, Baku, Brüssel, Bilbao, Paris). Seit 1882 war er im Hauptvorstand des “Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller”, später wurde er Ehrenmitglied.
Auf der Weltausstellung in Paris 1900 (auf der die Firma Weise & Monski in einem eigenen Pavillon ausstellte) lernte Weise die Kreiselpumpe kennen, glaubte aber nicht daran, dass diese in ernsthafte Konkurrenz mit der Kolbenpumpe treten könnte. Dass es dennoch zur Aufnahme der Produktion kam, ist dem ältesten Sohn Felix zu verdanken, der, zunächst im Absatz eingesetzt, deren Potential erkannte und auch den Bedarf voraussah. Er überredete den Vater, der ihm 1903 schließlich freie Hand ließ. Der Bedarf wuchs tatsächlich schnell, Weise sicherte sich einen Vorsprung auf dem Markt durch eine besondere Fertigungsmethode, die aber wiederum eine Kapazitätserweiterung notwendig machte.
1906 begannen Bau und Produktion im Ausweichgelände auf einem Grundstück in der Turmstraße. Am 1. Januar 1914 wurde die Firma Weise Söhne, Sitz Halle, Turmstraße gegründete. Damit zweigten sich die Söhne Felix und Erich mit dem Kreiselpumpenbau von der Stammfirma ab. Erst nach dem Tod des Vaters 1935 erhielten die Söhne Verfügungsrechte über das Stammhaus und dessen Produktionsstätten. Vor dem I. Weltkrieg hatte das Werk ca. 1000 Arbeitnehmer. Zwischen 1912-14 wurden weitere Filialen im In- und Ausland gegründet (u.a. in St. Petersburg, Wladiwostock, Riga, Kairo, Bombay, Surabaya, Mexiko-City, in Südamerika und China). Durch den I. Weltkrieg gingen diese Filialen zum großen Teil verloren. In den 20er Jahre überflügelte die Produktion der Söhne das Stammhaus. Trotz starker Einbußen in der Wirtschaftskrise 1930-32 erholte sich die Firma wieder.
Am 5. August 1935 starb Rudolf Ernst Weise 90jährig. Er wurde auf dem halleschen Stadtgottesacker beigesetzt. Der weit gereiste Firmengründer hatte seinen Betrieb in patriarchalischer Weise geführt. Er schuf verschiedene soziale Einrichtungen für die Arbeiterschaft, eine Kantine, für die damalige Zeit beispielhafte sanitäre Einrichtungen, Spareinrichtungen sowie eine Pensionskasse. Als großer Anhänger der Kneippschen Lehre ließ er auch seine Belegschaft Licht- und Heilbäder, Bestrahlungen und Kneippkuren in Anspruch nehmen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde im Süden der Stadt an der Huttenstraße für die Angestellten und Arbeiter eine Kleingartenanlage mit Schrebergärten angelegt. Es gab kulturelle Einrichtungen wie Werksbücherei, Freilichtbühne, Musikvereinigung, Gitarrenclub, Stadion und Sportlerheim. Felix Weise setzte sich Mitte der dreißiger Jahre mit der Gründung des “Bauvereins Gartenstadt” für den sozialen Wohnungsbau ein.
Kaum zerstört, produzierte das Werk nach dem Ende des II. Weltkriegs weiter Pumpen, bis es im August 1945 durch sowjetische Truppen demontiert wurde. Die Familie wurde enteignet, und die Fabrik durch die VVB-EKM (Verwaltung volkseigener Betriebe des Energie und Kraftmaschinenbaus) übernommen. Sohn - Erich Weise – und Enkel – Ruprecht Weise – des Gründers sowie ehemalige Mitarbeiter führten im Westen die Firma weiter. Die halleschen Betriebe gingen in den Halleschen Pumpenwerken (heute KSB) auf.
Quellen:
Chronik der Firma “Weise & Monski”, Weise Soehne GmbH, Bruchsal, 1953
Stadtarchiv, Signatur FA 538, FA 3708
Jacob, Ralf: 125 Jahre Pumpenwerke in Halle, in: Mitteldeutsche Zeitung, 1.2.1997