Mit Ernestus wird eine der prägendsten Persönlichkeiten für die Stadt Halle geehrt. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig, wird doch gerade der 500. Jahrestag der Weihe der Magdalenenkapelle in der Moritzburg begangen.
Mit der Ernestusstraße sind nun bereits 17 Straßen mit Zusatzschildern ausgestattet wurden. Für weitere mehr als 100 Straßen haben sich bereits interessierte Bürgerinnen und Bürger gemeldet. In den kommenden Wochen stehen die Faulmannstraße, die Cansteinstraße und die Rudolf-Ernst-Weise-Straße auf dem Programm.
Initiatorin des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ ist Frau Ingeborg von Lips. Es wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch das Kulturbüro Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle sowie das hallesche Stadtarchiv. Eine aktuelle Übersicht über die Straßen, welche im Rahmen des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ in Vorbereitung bzw. schon realisiert sind, findet sich hier.
Hintergrund Ernestus:
Die Ernestusstraße in Halle ist benannt nach Herzog Ernst (Ernestus) von Sachsen. Er lebte von 1464 – 1513, war Erzbischof von Magdeburg (1476 – 1513) und Administrator von Halberstadt (1479 – 1513). Als zweitgeborener Sohn des gleichnamigen wettinischen Kurfürsten Ernst von Sachsen (1464 – 1486) war ihm nach herrschaftspolitischer Tradition eine geistliche Laufbahn beschieden. Die Kurwürde stand im Sinne der wettinischen Hausordnung nur dem ältesten männlichen Nachkommen zu und gebührte damit seinem Bruder Friedrich, dem späteren Kurfürsten Friedrich der Weise (1486 – 1525). Bereits mit elf Jahren wählte das Domkapitel des Magdeburger Erzstiftes Ernst einstimmig zum neuen Erzbischof von Magdeburg, wozu auch die Stadt Halle zählte, und zum Nachfolger des verstorbenen Johannes von der Pfalz (1464 – 1475). Die Postulierung war indes Ergebnis einer hartnäckigen kursächsischen Diplomatie mit dem Magdeburger Domkapitel, dem Kaiser sowie der römischen Kurie. Da Ernst jedoch nach Kirchenrecht für ein Bischofsamt noch nicht befähigt war, wurden ihm bis zu seiner endgültigen Dispensation 1489 einige kursächsische Räte unter Führung des Meißener Bischofs Johannes von Weißenbach (1476 – 1487) zur Seite gestellt. Bei all seinen (besonders für die Stadt Halle) getroffenen Entscheidungen dieser Zeit sollte berücksichtigt werden, dass sie kaum vom heranwachsenden Kind bzw. Jugendlichen selbst geplant und bedacht worden sind. Als Erzbischof und fürstlicher Landesherr agierte Ernst im Sinne der kursächsisch-wettinischen Politik im mitteldeutschen Raum. Hier gelang es dem kurfürstlichen Vater, ihm 1479 in Personalunion das Bistum Halberstadt als Administrator zu sichern, wofür er 1480 die päpstliche Dispensation erhielt. Damit festigte Ernst als geistlicher Fürst im Reich auch seine Stellung als „Primas von Germanien“.
Ein zentrales Element in der Politik und Landesverwaltung des noch jungen Erzbischofs bildeten die beiden finanzkräftigsten Städte seines Territoriums, Magdeburg und Halle. In beiden Städten hinterließ er sowohl im Stadtbild als auch in der jeweiligen Stadtregimentsverfassung seine Spuren. Für die Stadt Halle bedeutete sein Wirken als Stadtherr zweierlei: Unter Verlust der relativen politischen und städtischen Eigenständigkeit unterwarf er 1478 die Stadt. Damit verbunden war der Bau der Moritzburg als Beginn der Residenzbildung der Magdeburger Erzbischöfe in Halle. Im Mittelalter war es der Stadt und insbesondere einem selbstbewussten Bürgertum unter Führung des Rates zuvor gelungen, mehrfach Privilegien und Besitzrechte von den Magdeburger Erzbischöfen abzukaufen und zu behaupten und daraus eine gewisse Unabhängigkeit vom Landesherrn abzuleiten. Gerade die hallesche Pfännerschaft, als Kontrolleur der hiesigen Salzwirtschaft, auf der die Finanzkraft Halles beruhte, leitete bis zur Ratsreform von 1427/28 ausnahmslos die Geschicke der Stadt. Erst danach war es anderen sozialen Gruppen, allen voran den Innungshandwerkern, wieder möglich an der Stadtführung zu partizipieren. Erzbischof Ernst bediente sich der innerstädtischen Opposition gegen die Pfänner, um die Kontrolle über die Stadt und die Saline zu erhalten. Nachdem der Ratsmeister Jakob Weissack am 21. September 1478 das Ulrichstor für die bischöflichen Truppen heimlich öffnete, fiel die Stadt in seine Hände und er konnte feierlich als Stadtherr in Halle Einzug halten. Der bis dahin widerstrebenden Pfännerschaft wurden daraufhin harte Bestrafungen und finanzielle Sanktionen auferlegt. Der weitreichenden städtischen Autonomie wurde durch Ernst ein Ende gesetzt, wodurch die Einnahme der Stadt Halle durch Erzbischof Ernst im Jahr 1478 ein bedeutende Zäsur in ihrer Geschichte der Stadt darstellt. Ähnlich erging es der Stadt Magdeburg, die 1486 die erzbischöfliche Landeshoheit von Ernst vollständig anerkennen musste. Für Halle folgte nun eine Phase kulturellen Aufblühens als erzbischöfliche Residenzlandschaft, die einen vorläufigen Höhepunkt unter Kardinal Albrecht von Brandenburg (1513 – 1545) erfuhr. Mit dem kombinierten Festungs- und Schlossneubau, der 1484 begonnen wurde, verlegte Erzbischof Ernst ab 1503 seinen Hof vom Giebichenstein direkt nach Halle, um so seine neugewonnene Gewalt über die Stadt mit seiner „Zwingburg“ zu demonstrieren. Darüber hinaus war die Moritzburg ein neues Zentrum der erzbischöflichen Landesverwaltung und bedeutender Ort für höfische Kunst und Kultur jener Zeit, zu deren Förderer Ernst ausdrücklich zu zählen ist, was die Stiftung zahlreicher Kirchen und Altäre verdeutlicht. Die Schlosskirche mit der Kapelle St. Maria Magdalena, in der er ein Stiftskapitel installieren ließ, komplettierte schließlich die Residenz auf der Moritzburg. Auf diese Weise erhob Ernst die Stadt Halle unter die bedeutenden Residenzstädte Mitteldeutschlands und des Reichs. Er starb am 3. August 1513 auf der Moritzburg in Halle, die ihm zu Lebzeiten zum bevorzugten Aufenthaltsort geworden war. Seine Grablege erfolgte indes als Erzbischof von Magdeburg folgerichtig im dortigen Dom, wo er sich eine Grabtumba aus Bronze hatte errichten lassen (1494/95). Sie stammt aus der Bildhauerwerkstatt von Peter Vischer in Nürnberg und zählt zu dessen wertvollsten Arbeiten in Norddeutschland. Die besondere Verbundenheit zu seiner Hallischen Residenz kommt aber durch seinen testamentarisch verfügten Willen zum Ausdruck: Er ließ sein Herz in der St. Maria-Magdalenen-Kapelle auf der Moritzburg bestatten.
Ernst von Sachsen steht in der halleschen Historie für eine wichtige Zäsur am Ende des Mittelalters und dem Beginn der Frühen Neuzeit und bescherte Halle mit der Moritzburg ein bis heute herausragendes Wahrzeichen im Stadtbild.
Literatur:
Meinhardt, Matthias: Die Residenzbildung in Halle in der Residenzenlandschaft Mitteldeutschlands. Beobachtungen zum Verhältnis zwischen Stadt und Stadtherr im 15. und 16. Jahrhundert, in: Michael Rockmann (Hrsg.): Ein „höchst stattliches Bauwerk“. Die Moritzburg in der hallischen Stadtgeschichte 1503-2003, in: Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte, Bd. 5, Halle (Saale) 2004, S. 19 – 42. Mock, Markus Leo: Kunst unter Erzbischof Ernst von Magdeburg, Diss. Phil., Berlin 2007.
Tacke, Andreas (Hrsg.): Kontinuität und Zäsur. Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg, in: Schriftenreihe der Stiftung Moritzburg, Bd. 1, Göttingen 2005.
Rogge, Jörg: Ernst von Sachsen. Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt (1476-1513), in: Werner Freitag (Hrsg.): Mitteldeutsche Lebensbilder. Menschen im späten Mittelalter, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 27 – 68. Bd.10, S. 611.