Damit ist der Startschuss gegeben: Von nun an wird monatlich eine hallesche Straße mit Zusatzschildern versehen. Das Projekt Bildung im Vorübergehen wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch das Kulturbüro Halle, den Fachbereich Tiefbau der Stadt Halle und das hallesche Stadtarchiv. Die Liste mit den in Vorbereitung befindlichen Straßen wird fortlaufend aktualisiert.
Hintergrund:
Im Jahr 1828 fand in der halleschen Bürgerschaft eine Geldsammlung statt, um die Straßen der Stadt mit Blechschildern ausstatten zu können. 180 Jahre später, im April dieses Jahres, rief die BÜRGER.STIFTUNG.HALLE unter dem Motto Bildung im Vorübergehen dazu auf, für Zusatzschilder an halleschen Straßenschildern zu spenden, die über den oder die Namensgeber(in) der Straße informieren. Viele Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten aus der halleschen Stadtgeschichte benannt, doch häufig wissen auch die Bürgerinnen und Bürger gar nicht, wer hier eigentlich geehrt wird. Die Initiatorinnen und "Anstifterinnen" des Projektes, Dr. Ingeborg von Lips und Geraldine Michalke, verbinden damit die Idee, Einwohnern und Besuchern der Stadt diese historischen Persönlichkeiten und ein Stück hallescher Stadtgeschichte näher zu bringen.
Das Vorhaben fand eine unerwartet große Resonanz in der halleschen Bevölkerung und weit darüber hinaus. Alle ursprünglich von der BÜRGER.STIFTUNG.HALLE vorgeschlagenen Straßen und etliche weitere fanden innerhalb kurzer Zeit ihre "Schilderpaten". DAbei meldeten sich nicht nur Hallenserinnen und Hallenser, sondern auch Nachfahren, die z.T. selbst noch nie in Halle gewesen sind. Nachdem im Oktober letzten Jahres bereits die Lafontainestraße ihre ERgänzungsschilder erhielt, wird die Reihe nun regelmäßig fortgesetzt.
Die Wolfensteinstraße wurde 1945 nach dem expressionistischen Dichter und Kunsttheoretiker Alfred Wolfenstein benannt. Alfred Wolfenstein wurde am 28.12.1883 in Halle geboren und wuchs hier auf. 1901 zog er mit seiner Familie nach Berlin und studierte dort Jura. Nach seiner Promotion war er als freier Schriftsteller tätig. Er gilt als einer der bedeutendsten Großstadtdichter des aufbegehrenden Expressionismus vor und während des 1. Weltkriegs. Seine Gedichte greifen Themen auf wie die Entfremdung und Isoliertheit des Menschen in der Stadt und den Zwiespalt zwischen Denken und Handeln auf. Wolfenstein machte sich zudem als Herausgeber der wichtigsten kunsttheoretischen Sammlung der expressionistischen Bewegung ("Die Erhebung", 1919/20) und als Übersetzer aus dem Französischen und Englischen einen Namen.
Alfred Wolfenstein heiratete 1916 Margarete Rosenberg, die unter ihrem Künstlernamen Henriette Hardenberg Bekanntheit erlangte. Die Ehe zerbrach 1930. Als Jude von den Nationalsozialisten bedroht, musste Wolfenstein 1933 nach Prag fliehen. 1938 setzte er seine Flucht nach Paris fort. Dort wurde er 1940 nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten von der Gestapo inhaftiert. Nur, weil ein Offizier ihn als Schriftsteller erkannte, kam er kurz darauf wieder frei. Von da an lebte er unter falschem Namen ständig auf der Flucht, zeitweilig in der Abstellkammer einer Pension in Nizza. Hier schrieb er auchs einen autobiographischen Roman "Frank".
Wolfenstein litt stark unter seiner Situation, die durch ein Herzleiden und Depressionen noch erschwert wurde. 1944 gelang es ihm noch einmal, nach Paris zu gelangen. Dort wurde er von Freunden im Hospital Rothschild untergebracht. Schwer depressiv und mit gebrochenem Lebenswillen nahm er sich am 22. Januar 1945 in Paris das Leben.