Bildung im Vorübergehen:
Albert-Klotz-Straße
- Zusatzschild-Text:
- Volksschullehrer, gründete 1835 die Taubstummen-Anstalt in Halle
- Spender:
- gespendet von Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte „Albert Klotz“
- Status:
- realisiert am 13.06.2012
Gustav Eduard Albert Klotz (1812-1894)
– ein verdienter Sohn und Bürger der Stadt Halle –
Gustav Eduard Albert Klotz wurde am 6. April 1812 als Sohn eines Töpfermeisters in Halle geboren. Er starb am 21. April 1894. Zusammen mit seiner zweiten Frau Emma Klotz hat er auf dem Laurentius-Kirchhof seine letzte Ruhestätte gefunden. Gehörlose Schüler des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte „Albert Klotz“ pflegen die Grabstelle.
Zur Geschichte: Mit der Gründung der 1. deutschen Taubstummenanstalt 1778 in Leipzig durch Samuel Heinicke (1727-1790) war das Interesse der Pädagogen an der Bildung taubstummer Kinder geweckt worden. Früher galten die Taubstummen als bildungsunfähig und mussten ihr Leben unter schwierigsten Bedingungen fristen.
Politische Wirren zu Beginn des 19. Jahrhunderts verhinderten die Entwicklung weiterer Taubstummenanstalten in Deutschland. Das Anliegen, taubstummen Kindern Unterricht zu erteilen, blieb aber bestehen. Es ist einigen Lehrerseminaren zu verdanken, dass sie ihren Seminaristen auch Einblick in die Arbeit mit Taubstummen gaben. 1829 wurde in Weißenfels ein Lehrerseminar von Christian Wilhelm Harnisch (1787-1864) gegründet, an dem die Ausbildung der taubstummen Kinder von dem bekannten Pädagogen Friedrich Moritz Hill (1805-1874) übernommen wurde. Hill genoss bald Weltruf durch seine intensive Arbeit mit den Taubstummen und durch die Veröffentlichung seiner wissenschaftlichen Arbeiten.
Albert Klotz hat im Königlichen Schullehrerseminar zu Weißenfels seine Lehrerausbildung erhalten, wo er zum ersten Male Kontakt zu Taubstummen erhielt. Es war eine Zeit, in der die Pestalozzischen Gedanken auch die Taubstummenbildung erfassten und zu ihrer Entwicklung beitrugen. Mit den Weißenfelser Seminaristen erhielt auch Albert Klotz eine umfassende Einführung in die Theorie und Praxis der Methoden des Taubstummenunterrichts. Aber auch ein geistiges Rüstzeug, eine „innere Erwärmung“, für die schwere und entsagungsvolle Tätigkeit an den gehörlosen Kindern hat er dort empfangen, die ihn bereit machte, die erste Gelegenheit zu ergreifen.
Im Januar 1835 gründete Albert Klotz seine „Privatanstalt für taubstumme Kinder“ in Halle. Er schreibt darüber:
„Nachdem ich schon in früheren Jahren Gelegenheit gehabt hatte, das Unglück der Taubstummheit kennen zu lernen, bemerkte ich in den letzten Wochen des Jahres 1834 auf einem Spaziergange die taubstumme Stieftochter des Bäckers Tümmler allhier. Sehen und den freudigen Entschluss fassen, mich dieses unglücklichen Kindes anzunehmen, war eins. So geschah es denn, dass ich im Januar 1835 hierselbst im Vertrauen auf den, der da will, dass allen geholfen werde und alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, eine Privatanstalt für taubstumme Kinder gründete, die den Zweck verfolgen sollte, solche Unglückliche durch den ihrem traurigen Zustande angemessenen Unterricht und durch geeignete Erziehung in den Besitz der artikulierten Sprache zu bringen, sie vor leiblicher, geistiger und sittlicher Verwahrlosung zu retten, … und sie überhaupt, soweit es Kraft und Umstände nur gestatten wollen, zu frommen Christen und brauchbaren Menschen heranzubilden.“
Aus dieser ethischen Verantwortung heraus entstand vor bald 180 Jahren eine Einrichtung, die sich in den Stürmen der gesellschaftlichen Veränderungen wandelte und entwickelte. Heute leben und wirken die Ideen des Lehrers im halleschen Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte „Albert Klotz“ fort. Es setzt die Arbeit fort, die 1835 durch Albert Klotz begonnen wurde.
Klotz wurde 1834 in Halle als Kandidat (Amtsbewerber) angestellt. Nach unterschiedlichen Quellen war er Lehrer an den vereinigten Stadtschulen, oder an den Hoffmanschen und Vaterschen Schulanstalten. Er hatte in seinem Amte 150 Schüler zu unterrichten. Die Unterrichtsarbeit für die taubstummen Kinder führte er nebenamtlich in seiner Privatwohnung aus. Er hatte damit eine hohe physische und psychische Belastung auf sich genommen, der er nach dem Urteil einer vorgesetzten Behörde in hervorragendem Maße gerecht wurde.
Seminardirektor Harnisch schreibt 1836 über Klotz:
„Derselbe hat über 1½ Jahr zwei taubstumme Kinder mit großem Erfolge unterrichtet, wovon ich mich an Ort und Stelle selber überzeugt habe, indem ich vor einigen Wochen auf einer amtlichen Schulvisitationsreise ihm eine Prüfung mit diesen Kindern anstellen ließ.
Derselbe hat seine öffentliche Schulklasse aus 150 kleinen Knaben bestehend, so gut eingerichtet, dass ich mit wahrem Vergnügen in der Klasse gewesen bin und nicht habe unterlassen können wegen seiner ausgezeichneten Leistungen, ihn seiner Behörde zu empfehlen.“
Heinrich Hauer (1763-1838), Vorsteher des Taubstummeninstituts in Quedlinburg, urteilt 1837 über Albert Klotz: „Zu meiner Freude kann ich sowohl von den Talenten, welche Herr Klotz als Taubstummenlehrer besitzt, als von den Talenten, welche seine kleine Zahl von Zöglingen nach so kurzer Zeit ihres Unterrichts an den Tag legten, nach der Wahrheit das beste Zeugnis geben. … war es sichtbar, welche Fortschritte sie sowohl in der Bildung ihres Verstandes als auch ihres Herzens gemacht haben. …“
Die Provinzialregierung in Merseburg veröffentlichte in ihrem Amtsblatt vom 06.01.1838 (nach anderer Quelle vom 19.12.1837) eine Bekanntmachung, in der sie die Arbeit des Klotz´schen Privat-Taubstummen-Institutes würdigte und empfahl.
Bis 1841 konnte Albert Klotz der Doppelbelastung des öffentlichen Lehramtes und der privaten Arbeit mit den taubstummen Kindern genügen, dann zwang ihn die gesundheitliche Situation zur Entscheidung. Er traf sie für die Taubstummen und wählte damit einen schweren und entbehrungsreichen Weg. Er hatte sich die Verantwortung aufgeladen, für seine wachsende Familie und für die wachsende Zahl seiner Schüler zu sorgen. Öffentliche Mittel flossen ihm kaum zu. Sein Institut lebte, meist mehr schlecht als recht, von dem Schulgeld, das er von den Eltern seiner Schüler erbat, wobei er die sozial Schwächsten unentgeltlich betreute. Spenden halfen, aber die ständige Finanznot zwang ihn auch zu Bittgesuchen an König, Ämter und Privatpersonen. Mit seinen Schülern fertigte er Handarbeiten, deren Verkaufserlös eine bescheidene Einnahmequelle darstellte.
Albert Klotz war ein hervorragender Taubstummenbildner. Er beschränkte seine Arbeit nicht auf den alltäglichen Unterricht. Vielmehr war es sein Anliegen, die ihm anvertrauten Schüler auf das Leben in der hörenden Gesellschaft vorzubereiten und ihnen Vorstellungen und Grundkenntnisse über die damals für Gehörlose möglichen Berufe zu vermitteln. So gehörten zu den regelmäßigen Ausgängen an den Nachmittagen häufige Besuche von Werkstätten der Handwerker. Auch der Werkunterricht für die Jungen lag in den Händen eines Handwerksmeisters.
Was Albert Klotz mit Blick auf eine berufliche Ausbildung seiner Schüler unternahm, war den üblichen Verfahren seiner Zeit weit voraus. Die Knaben aus halleschen Familien brachte er – mit Lehrcontract! – bei geeigneten Meistern unter und setzte durch, dass diese Lehrlinge am Ende ihrer Ausbildung nicht das Gesellenstück, sondern das Meisterstück vor der Prüfungskommission ablegten. Für die außerhalb Halles beheimateten Schüler suchte er mit Hilfe der Ortsgeistlichen und Lehrer Meister, die er vertraglich zur Führung und Sorge für die Lehrlinge verpflichtete. Den Fortgang der Ausbildung begleitete er durch angeregten Schriftverkehr mit den Lehrmeistern und den Bürgermeistern. Eine große Anzahl der Lehrlinge wurde auch während der Lehrzeit vom Klotz´schen Taubstummeninstitut mit Kleidung, Handwerkszeug und Verpflegungsgeld unterstützt. Häufig leistete das Anstaltsvermögen auch Bürgschaft gegenüber dem Lehrmeister.
Albert Klotz hat vor 177 Jahren ein pädagogisches und soziales Werk für die Gehörlosen eines großen Gebietes begonnen, das heute im Land Sachsen-Anhalt aufgegangen ist. Mit diesem großen Werk aus christlicher Verantwortung und humanistischer Gesinnung heraus ist Albert Klotz ein vorbildlicher Streiter für die Rechte und für das Wohl einer umfangreichen Gruppe schwer behinderter Menschen geworden.
Waltraud Rónaky