Bildung im Vorübergehen:

Erich-Neuß-Weg

Zusatzschild-Text:
Stadtarchivar und Bibliotheksdirektor – Professor für Regionalgeschichte an der Universität Halle
Spender:
gespendet von vier Kindern Erich Neuß’: Frau Dr. Elisabeth Schwarze-Neuß, Werner Neuß, Reinhard Neuß sowie Erdmann Neuß
Status:
realisiert am 11.06.2010

Erich Neuß (1899-1982)

Am 11. Januar 1899 als Sohn eines Eisenbahntechnikers in Frankfurt a.M. geboren zog die Familie im Jahre 1901 nach Halle a. d. Saale und lebte im Giebichensteinviertel. Hier erkundete Neuß schon als Kind die arten- und formenreiche Vielfalt der Umgebung. Als 16-jähriger gründete er mit Mitschülern an der damaligen Städtischen Oberrealschule am Reileck einen „Naturwissenschaftlichen(r) Verein“, der auch die Erkundung der Geschichte des heimatkundlichen Raumes zum Ziel hatte, also ein sehr frühes Interesse an der künftigen beruflichen Entwicklung von Neuß.

Nach dem Abitur im Jahre 1917 wurde Neuß zum Kriegsdienst einberufen und  zunächst in Galizien, später in Frankreich eingesetzt, wo er in Gefangenschaft geriet. Aus dieser wurde er im Februar 1920 entlassen. Noch im gleichen Jahr immatrikulierte er sich an der Universität Halle in den Fächern Nationalökonomie (Volkswirtschaftslehre), Rechtswissenschaften und Geschichte. Im Jahre 1924 schloss Neuß sein Studium ab und wurde mit dem Thema „Die Entwicklung des halleschen Wirtschaftslebens vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zum Weltkrieg“ promoviert. Er übernahm eine Tätigkeit bei der Industrie- und Handelskammer Halle mit dem Schwerpunkt des Aufbaus und der Leitung einer Abteilung Außenhandel.

Im Jahre 1928 wurde Neuß die bei der Stadtverwaltung Halle neu geschaffene Stelle des städtischen Archiv- und Bibliotheksdirektors übertragen. Neuß wurde städtischer Beamter, was für die Folgezeit noch von Bedeutung sein sollte. Im gleichen Jahr erwarb Neuß ein Grundstück in der Gartenstadt Nietleben. Im Jahre 1930 heiratete Neuß Ella Buse, mit der er vier Kinder hatte. Diese Jahre waren auch durch eine rege Publikationstätigkeit gekennzeichnet.

Mit der Machtübernahme der Nazis wurde die städtische Karriere abrupt unterbrochen. „Stein des Anstoßes“ war eine von Neuß 1931 herausgegebene Festschrift aus Anlass des 25-jährigen Dienstjubiläums des damaligen Oberbürgermeister Robert Rive mit dem Titel „Die Hallische Stadtverwaltung 1906 – 1931“. In dieser Festschrift setzte sich Neuß auch kritisch mit der Stadtverordnetenversammlung, namentlich der Fraktion der Haus- und Grundbesitzer auseinander, die durch Wucher und Grundstücksspekulationen das vorsorgliche und dem Gemeinsinn verpflichtete Handeln Rives immer wieder erschwerte. Diese Fraktion sah nunmehr im Verbund mit der NSDAP-Fraktion ihre Stunde gekommen, dem mit Rive sehr verbundenen Neuß aus dem Amt zu jagen. Neuß wurde von seinem Amt auf der Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums beurlaubt. Sein Beamtenstatus bewahrte ihn jedoch vor einer sofortigen Entfernung aus dem Dienst. Neuß empfand dies als schreiende Ungerechtigkeit und setzte sich dagegen entschieden, aber als Beamter auch mit der gebotenen Zurückhaltung zur Wehr. Letztlich entschied der preußische Innenminister gegen eine Entlassung von Neuß aus dem Dienst. Neuß, inzwischen auch NSDAP-Mitglied, erhielt eine untergeordnete Position im Amt für Wirtschaft, Verkehr und Statistik. Auch diese Zeit nutzte Neuß für umfangreiche Publikationen.

1940 wurde Neuß zur Wehrmacht eingezogen und in Belgien, Polen und in der Sowjetunion eingesetzt. Im März 1942 verwundet, kehrte Neuß erst im Juni 1943 an die Front zurück. 1944 wurde er als sogenannter Nationalsozialistischer Führungsoffizier eingesetzt, was er bei der Betrachtung seiner Vita selbst als Treppenwitz empfand und auch so bezeichnete. Zum Kriegsende, Neuß war mittlerweile Hauptmann, war er in Kurland verletzt und ihm gelang es, mit dem letzten auslaufenden Lazarettschiff nach Deutschland zurück zu kehren.

Ab August 1945 war Neuß wieder Direktor des Stadtarchivs in Halle, weiterhin leitete er das Händelhaus, die Hallmarktbibliothek und das Museum Moritzburg. Er gehörte zu den Mitinitiatoren der „Bauhütte Roter Turm“, die sich den Wiederaufbau des Roten Turmes zum Ziel gesetzt hatte. 1952 schied Neuß aus dem städtischen Dienst auf eigenen Wunsch aus. Er widmete sich der Forschungs- und Publikationstätigkeit sowie den Vorlesungen an der Potsdamer Fachschule für Archivwesen. 1958 habilitierte sich Neuß auf nachdrückliche Aufforderung von Leo Stern hin mit dem Thema „Entstehung und Entwicklung der Klasse der besitzlosen Lohnarbeiter in Halle bis zum Zusammenbruch der preußischen Monarchie 1800“. Ab 1959 war Neuß Dozent für Landesgeschichte an der Universität Halle, 1963 wurde er Professor mit Lehrauftrag und bereits 1964 emeritiert.

Erich Neuß verstarb am 28. Dez. 1982 und wurde auf dem Granauer Friedhof in Halle-Nietleben beigesetzt.

Bis zu seinem Lebensende war Neuß rastlos mit weiteren Veröffentlichungen und Vorträgen tätig. Seine stadt- und regionalgeschichtlichen Veröffentlichungen sind an ihrer Vielzahl und Vielgestaltigkeit kaum zu überbieten. Ein kleiner Auszug sei hier gestattet:

 

-    Halle an der Saale. Ein Erinnerungsbüchlein für Fremde und Freunde (1931)

-    Die Geschichte der Stadtsparkasse (1932)

-    Das Giebichensteiner Dichterparadies (1932)

-    Wanderungen durch die Grafschaft Mansfeld, 3 Bände (1935, 1938, 2001)

-    Wüstungskunde des Saalkreises, der Stadt Halle und der Mansfelder Kreise (1969)

-    Besiedlungsgeschichte des Saalkreises und des Mansfelder Landes (1975) 

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