Bildung im Vorübergehen:

Hans-Litten-Straße

Zusatzschild-Text:
Jurist, geboren in Halle, Gegner des NS-Regimes, „Anwalt der Arbeiter“, Tod im KZ Dachau
Spender:
gespendet von Raik Müller
Status:
realisiert am 21.10.2016

Hans-Joachim Albert Litten (1903-1938)

Am 19. Juni 1903 wurde Hans-Joachim Litten als ältestes von drei Kindern des Jura-Professors Fritz Julius Litten und seiner Ehefrau Irmgard, geb. Wüst, in der Burgstraße 43 in Halle geboren. Als er drei Jahre alt war, zog die Familie nach Königsberg, da Hans Littens Vater an die dortige Universität berufen worden war.

Dem Wunsch des Vaters entsprechend, aber entgegen seinen eigenen Ambitionen, studierte er Rechtswissenschaften in Berlin. Nach erfolgreichem Studienabschluss ließ er sich im Alter von nur 25 Jahren zusammen mit dem etwa zehn Jahre älteren Ludwig Barbasch in einer Anwaltskanzlei am Berliner Kammergericht nieder.

Wie sein Partner Barbasch war auch Hans Litten für die Rote Hilfe Deutschland tätig, einer der KPD nahestehenden Hilfsorganisation, die Arbeitern unabhängig von ihrer Weltanschauung Rechtsschutz und Verteidigung vor Gericht gewährte. Litten vertrat als Verteidiger oder als Nebenkläger Mandanten, die Opfer nationalsozialistischer Polizeiwillkür geworden waren. Für die Prozesse nutzte er seine präzise Kenntnis der Prozessordnung und ein gründliches Aktenstudium. Wenn nötig, ermittelte er selbst zu den Fällen. Ihn zeichneten „Unerschrockenheit und ein starkes Rechtsempfinden“ aus. Er wollte zum einen seine Mandanten rechtmäßig vertreten und zum anderen aufzeigen, wie sehr die Polizei und Justiz bereits in der Gewalt der Nationalsozialisten stand, die Opfer als Täter behandelten und das Rechtssystem für ihre Zwecke verdrehten.

Litten wurde immer häufiger Ziel von scharfen Angriffen in der nationalsozialistischen Presse. Von Gerichtsverhandlungen wurde er ausgeschlossen. Schließlich wurde er selbst Opfer tätlicher Übergriffe, Geleitschutz gewährte ihm nicht die Anwaltskammer, sondern die Rote Hilfe.

Schicksalhaft für Hans Litten wurde der sogenannte „Edenpalast-Prozess“. Ein Kommando des besonders brutalen „Sturm 33“ der SA hatte am 22. November 1930 das Tanzlokal „Eden“ in Berlin-Charlottenburg überfallen und auf die dort versammelten Gäste, unter anderem Mitglieder eines Arbeitervereins geschossen. Vier Arbeiter wurden schwer verletzt. Die spät eintreffende Polizei nahm lediglich zwei der zwanzig beteiligten SA-Leute fest. Im Prozess im April 1931 trat Litten als Nebenkläger auf. Mit dem Ziel, die Überfälle als planmäßige Aktionen der NS-Parteiführung zu entlarven, die das Land politisch destabilisieren und die Machtergreifung vorbereiten sollten, holte Litten Adolf Hitler selbst in den Zeugenstand. In einem zweistündigen Verhör trieb er Hitler dermaßen in die Enge, dass er einen „Legalitätseid“ schwor.

Diese Demütigung hat Hitler ihm nie verziehen. In der auf den Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 folgenden großen Verhaftungswelle wurde auch Hans Litten in sog. „Schutzhaft“ genommen. Damit begann sein fünfjähriger Leidensweg durch die Zuchthäuser und Konzentrationslager Spandau, Sonnenburg, Brandenburg, Esterwegen, Lichtenburg, Buchenwald und Dachau.

Gleich nach der Verhaftung ihres Sohnes begann Irmgard Litten den Kampf um dessen Freiheit und Leben. Zahllose Bittschriften, Gesuche um Hafterleichterungen, Besuchsgenehmigungen und Freilassung richtete sie an die Bekannten aus der Königsberger Zeit, als Hans Littens Vater Dekan und Rektor an der Universität und Berater der preußischen Regierung war. Sie verhandelte mit den politischen Köpfen der Nationalsozialisten, wandte sich an britische Anwälte und an die „Europäische Konferenz für Recht und Freiheit“, die Hans Littens Freilassung ersuchten. Alle Versuche blieben erfolglos. Hitler drohte jedem, der sich für Hans Litten einsetzte, mit KZ-Haft.

Trotz der unmenschlichen Torturen, die Hans Litten in der Haft erdulden musste, behielt er seine Menschlichkeit, war seinen Leidensgenossen gegenüber hilfsbereit und solidarisch. Wenn es die Haftsituation zuließ, beschäftigte er sich mit künstlerischen und literarischen Fragen. Er hielt Vorträge vor seinen Mithäftlingen, trieb sprachvergleichende Studien, übersetzte mittelalterliche Literatur und die Werke Shakespeares, rezitierte die Gedichte Hölderlins, Georges und Rilkes. Im KZ Lichtenburg leitete er die Buchbinderei und die Häftlingsbibliothek.

Die an ihm besonders schwer verübten Folterungen, Misshandlungen und Demütigungen machten Hans Litten zum herzkranken halbblinden Invaliden. In der Nacht vom 4./5. Februar 1938 wurde er erhängt auf der Toilette gefunden. Sein Grab befindet sich auf dem  Friedhof Pankow III in der Abt. UWG.

1940 veröffentlichte seine Mutter Irmgard Litten das Buch „Eine Mutter kämpft gegen Hitler“, in dem sie den Leidensweg ihres Sohnes und ihren Kampf um seine Freiheit schildert. Es erschien zunächst in England, Frankreich, USA, Mexiko und China, erst nach dem Krieg (1947) auch die deutsche Ausgabe.

Am Geburtshaus Hans Littens in der Burgstraße 43 in Halle hängt eine Gedenktafel, ebenso am Gebäude des damaligen Ost-Berliner Stadtgerichts. Das Berliner Büro der Bundesrechtsanwaltskammer trägt den Namen Hans Littens und hat seinen Sitz in der Littenstraße. Alle zwei Jahre verleiht die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen einen nach Hans Litten benannten Preis für demokratisches Engagement.

1964 wurde die Geschwister-Scholl-Straße in Dölau in Dr.-Hans-Litten-Straße umbenannt (um nach der Eingemeindung Dölaus eine Dopplung mit der am halleschen Zoo gelegenen Geschwister-Scholl-Straße zu vermeiden). Der Doktortitel wurde ihm dabei fälschlicherweise gegeben, vermutlich aufgrund einer 1933 in Erlangen veröffentlichten Dissertation eines Namensvetters. Dieser 1900 in Bielefeld geborene Hans Litten war auch Jurist und möglicherweise entfernt mit unserem halleschen Hans Litten verwandt. (Recherche des Schilderpaten Raik Müller, 2016).

Als posthumer Ehrendoktortitel wäre er auf jeden Fall gerechtfertigt. (2020 ließ die hallesche Stadtverwaltung den Doktortitel vom Straßennamen entfernen.)

Quellen:

  • Susanne Mittag: 1903: Hans Achim Litten. 1953: Irmgard Litten. In: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte. Bd. 10/2003, S. 241-247.
  • Carlheinz von Brück: Ein Mann, der Hitler in die Enge trieb. Hans Littens Kampf gegen den Faschismus. Ein Dokumentarbericht. 1975.
  • Max Fürst: Gefilte Fisch. Eine Jugend in Königsberg, 1973.
  • www.brak.de/die-brak/buero-berlin/rechtsanwalt-hans-litten/
  • Sven Gückel: Hans Litten - Der Mann, der Hitler entlarvte. www.mz-web.de/jessen/hans-litten-der-mann--der-hitler-entlarvte-3371012

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