Bildung im Vorübergehen:

Niemeyerstraße

Zusatzschild-Text:
Theologe und Pädagoge, Kanzler der Universität, Direktor der Franckeschen Stiftungen, Urenkel August Hermann Franckes
Spender:
gespendet von Radiologischen Gemeinschaftspraxis "Radiologie Niemeyerstraße Halle"
Status:
realisiert am 18.11.2013

August Hermann Niemeyer (1754-1828)

Am 1. September 1754 wurde August Hermann Niemeyer in Halle geboren. Die Eltern waren der Schulinspektor und Prediger an der Marienkirche Johann Konrad Philipp Niemeyer und seine Frau Auguste Sophie, Tochter des Direktors der Franckeschen Stiftungen Johann Anastasius Freylinghausen und Enkelin des Stiftungsgründers August Hermann Francke. Da er seine Eltern schon früh verlor, wurde Niemeyer von seiner Tante Sophie Lysthenius erzogen.

Nach seiner schulischen Ausbildung am Königlichen Pädagogium der Franckeschen Stiftungen studierte Niemeyer an der halleschen Universität Theologie, Philosophie und Alte Sprachen und wirkte gleichzeitig als Lehrer in den Waisenhausanstalten. Bereits 1775 veröffentlichte Er den ersten Band seines theologischen Hauptwerks, der „Charakteristik der Bibel“. Zwei Jahre später promovierte er über „Das Homerische Gleichnis“ zum Doktor der Philosophie und las anschließend über Literaturgeschichte und griechische und römische Klassiker. 1779 wurde Niemeyer zum außerordentlichen Professor der Theologie befördert und hielt als Inspektor des theologischen Seminars philologische und humanistische, ab 1783 auch pädagogische Vorlesungen. Im Jahr darauf wurde er Ordentlicher Professor an der Theologischen Fakultät und Inspektor des Pädagogiums. Wieder ein Jahr später wurde er zum Mitdirektor des halleschen Waisenhauses und zum Leiter des städtischen Armenkollegiums der Stadt Halle ernannt.

Zusammen mit anderen halleschen Gelehrten gründete Niemeyer 1785 das „Hallische Patriotische Wochenblatt zum Besten der Armen“. 1787 gründete er ein Pädagogisches Seminar für künftige Lehrer und Erzieher an der Universität und übernahm selbst dessen Leitung. 1793/94 war Niemeyer Prorektor der Universität, 1799 wurde er Direktor der Franckeschen Stiftungen zusammen mit Georg Christian Knapp. In diesem Jahr traf Niemeyer auf den preußischen König Friedrich Wilhelm III., der seitdem den Franckeschen Stiftungen eine jährliche Zuwendung von 4000 Talern sowie 1806 eine Kabinettsordre zur Erhaltung und Unterstützung der Stiftungen gewährte. 1804 berief man Niemeyer zum Oberkonsistorialrat und Oberschulrat sowie zum Mitglied des Berliner Oberschulkollegiums mit Sitz und Stimme im preußischen Ministerium der Geistlichen, Medizinal- und Unterrichtsangelegenheiten.

Mit dem Einzug Napoleons in Halle im Oktober 1806 wurden die guten Entwicklungen an Universität und Waisenhaus jäh unterbrochen. Die Universität wurde auf Befehl Napoleons geschlossen und auswärtige Studenten gezwungen die Stadt zu verlassen. Professoren erhielten keine Gehälter mehr, zahlreiche Gelehrte verließen Halle. August Hermann Niemeyer blieb, die Besatzer nutzten sein Wohnhaus am Großen Berlin als Unterkunft und Hauptquartier. 1807 wurde Niemeyer mit vier weiteren einflussreichen Hallensern nach Frankreich deportiert. Da die Herren im Exil relativ frei leben konnten, nutzte Niemeyer seine Kontakte zu Verhandlungen über die Zukunft der Universität. Ein Angebot des preußischen Königs auf eine hoch bezahlte und renommierte Stelle in Berlin lehnte Niemeyer ab, da er sein Betätigungsfeld in der halleschen Universität und den Franckeschen Stiftungen sah. Mit seiner Rückkehr nach Halle im Oktober 1807 wurde die Universität unter dem neuen Landesherren Jerôme Bonaparte wiedereröffnet und August Hermann Niemeyer zu deren Kanzler auf Lebenszeit und zum Rektor perpetuus ernannt. Nach dem Sieg über Napoleon 1813 behielt Niemeyer seine Ämter auch unter der nun wieder preußischen Regierung bei und setzte sich für die Vereinigung der halleschen Fridericiana mit der Wittenberger Leucorea ein. Der aufgrund dieser Vereinigung der beiden Hochschulinstitute notwendig gewordene Universitätsbau am heutigen Universitätsplatz („Löwengebäude“) geht in seinen Ursprüngen auf Planungen August Hermann Niemeyers zurück.

Anlässlich seines 50-jährigen Promotionsjubiläums erhielt Niemeyer für seine Verdienste um Universität und Stiftungen die Bürgerkrone der Stadt Halle. August Hermann Niemeyer starb am 7. Juli 1828 und wurde auf dem halleschen Stadtgottesacker begraben (Schwibbogen Nr. 15).

August Hermann Niemeyer war verheiratet mit Agnes Wilhelmine Christiane von Köpken (1769-1847) und hatte mit ihr 15 Kinder. Die Familie wohnte im Haus am Großen Berlin (Nr. 432, heute Gr. Brauhausstraße 15). Häufig trafen sich hier im Niemeyerschen Salon Gelehrte, Wissenschaftler, Schriftsteller und bedeutende Vertreter des halleschen Bürgertums zu geselligen Gesprächen, unter ihnen Schiller, Goethe, die Mitglieder der Lauchstädter Theatergruppe um Goethe, Carl Loewe, Friedrich Schleiermacher, Varnhagen von Ense. Auch der preußische König Friedrich Wilhelm III. war hier Gast.

Schriften (Auswahl):

  • poetische, dramatische Werke, 1776: Oratorium „Abraham auf Moria“ vertont von Johann Heinrich Rolle, geistliche Lieder, Kantate für Semler, vertont von Türk, Niemeyer verehrte die Dichtungen Klopstocks und trifft ihn 1776, Dichtung in Nachahmung Klopstocks
  • philologische Schriften (Herausgeber, 1778-1781 Ilias von Homer, 1790 Tragödien von Sophokles)
  • theologische Schriften (1775, Charakteristik der Bibel“; 1792 „Handbuch für Religionslehrer“)
  • pädagogische Schriften (1796 „Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts für Eltern, Hauslehrer und Erzieher“ – das erste Hand- und Lehrbuch der Pädagogik in Deutschland)
  • Mitbegründer der Zeitschrift „Frankens Stiftungen“
  • Reiseberichte („Beobachtungen...“) über seine Reisen in Deutschland, England, Dänemark, Holland, Italien sowie seine Deportationsreise nach Frankreich, die er auch zum Studium von Land und Leuten nutzte.

Antje Löhr-Dittrich

Quellen:

  • Menne, Karl: August Hermann Niemeyer. Sein Leben und Wirken., Halle, Tübingen: 1928/1995.
  • Speler, Ralf-Torsten: Insignien, Gelehrtenbilder und Portraitbüsten. Halle: 1995.
  • Soboth, Christian (Hrsg.): „Seyd nicht träge in dem was ihr thun sollt.“ August Hermann Niemeyer (1754-1828): Erneuerung durch Erfahrung. Halle, Tübingen: 2007.
  • www.kirche-in-halle.de

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