Bildung im Vorübergehen:

Reilstraße

Zusatzschild-Text:
Medizinprofessor („Psychiatrie“) in Halle und Berlin, Amtsarzt in Halle, Begründer von Kurbad und Theater
Spender:
gespendet von Salinas-IT Service GmbH
Status:
realisiert am 19.02.2009

Johann Christian Reil (1759-1813)

Reil, Johann Christian ,  geb. 20.2.1759 in Rhaude/Ostfriesland, gest. 22.11.1813 in Halle/Saale, Studium in Göttingen und Halle, 1787 Professor der Medizin, 1788 Direktor des Klinikums, 1789 Amtsarzt in Halle, 1793 Aufnahme in  die Leopoldina (Deutschen Akademie der Naturforscher). 1807-1809 Entwicklung und Bau einer Bade-Kuranstalt. 1810 Prof. in Berlin, Mitbegründer der Charité, 1813 Direktor der Preußischen Lazarette links der Elbe. Viele Veröffentlichungen, bekanntestes Werk: "Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen", 1803; bedeutende Studien im Bereich der Anatomie. Tod durch Typhusinfektion in Ausübung des ärztlichen Dienstes (1813 nach der Völkerschlacht). Grab auf dem „Reils“-Berg (1803 Geschenk des preußischen Königs).

1. Johann Christian Reil als Allround-Begabung

Der Arzt Reil ging in die Medizingeschichte nicht nur als bedeutender Anatom ein (anatomische Begriffe sind nach ihm benannt), als begabter Chirurg, sozial aufgeschlossener Amtsarzt oder Reformer der Ärzteausbildung. Seine noch heute anhaltende Bekanntheit bezieht sich auf seine Pionierarbeit im Bereich der Psychosomatik, der medizinisch fundierten Psychologie. Er gilt heute als Begründer des Wortes „Psychiatrie“ (Marneros). 

Reil war vielseitig tätig: als Gynäkologe, Augenarzt, Badearzt usw. Er war kein Facharzt, sondern ein Universalarzt. Er arbeitete als Universitätslehrer und Forscher. In seiner Brillanz zog er nicht nur Patienten, sondern auch Geistesgrößen seiner Zeit in seinen Umkreis. Das beginnt bei den Universitätskollegen der Stadt wie Johann Friedrich Meckel aus der Medizin und aus anderen Fakultäten Friedrich Schleiermacher, August Hermann Niemeyer, Henrich Steffens, Heinrich Balthasar Wagnitz. Über die Grenzen seines Fachs hinweg gewann er Beziehungen, so zu Johann Friedrich Reichardt, zu Ludwig Börne, zu Markus und Henriette Herz, zu den Berliner Koryphäen der Zeit wie Wilhelm von Humboldt, der ihn 1810 nach Berlin holte. Die Bekanntschaft mit Goethe erfolgte noch in Halle. Goethe war auch sein Patient.

2. Blick auf Halle

An vielen Stellen in Halle ist Reils Name seit mehr als 100 Jahren präsent: Reilstraße, Reileck, Reilshof, Poli-Reil usw. Bereits sein Vater hatte in dieser Stadt Theologie studiert. Der Sohn Johann Christian wandte sich von Anfang an der Medizin zu und wählte Halle (neben Göttingen) zum Studienort. Hier fiel er durch große Begabung auf. Nach einer Art Praktikum in Berlin ließ er sich im Norden als Arzt nieder. Er schrieb dort einen populären medizinischen Ratgeber „für meine Landsleute“. Seine wissenschaftliche Begabung und sein Bürgersinn waren in Halle nicht vergessen, und man holte ihn 1787 als Professor nach Halle, wo er nach und nach mehrere Funktionen erhielt.

In Halle gründete er auch eine Familie, er heiratete eine Tochter aus angesehener hugenottischer Familie und lebt zunächst in der Großen Ulrichstraße. Als er 1803 aufgrund seiner großen Verdienste den damaligen „spitzen Weinberg“ (heute Reilsberg = Zoo) als Geschenk erhielt, begann er mit einem eigenen Konzept (keine Kopie des Reichardtschen Gartens) die Gestaltung der Anlagen und einem folgenden Hausbau (heute „Reilsvilla“, mehrfach umgebaut).

Neben seinen medizinischen Verdiensten ist sein besonderes Engagement für Halle in Form der Errichtung einer Kur-Badeanstalt (unterhalb der Klinik am Dom) als Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung der darniederliegenden Stadt hervorzuheben. Innerhalb zweier Jahre entwarf und ließ er eine Art Reha-Zentrum bauen, das nicht nur die natürlichen Solquellen Halles, sondern auch den „Säuerling“ Böllbergs (= „Gesundbrunnen“) miteinbezog. Die modernen Anlagen mit Parks und Salons zogen viele Kurgäste aus ganz Deutschland an – vor allem aber als Magnet der Direktor Oberbergrat Dr. Christian Reil. Das erste Theater Halles, das er 1811 gründete (im ehemaligen Barfüßerkloster), gehörte zum wirtschaftlich-kulturellen Konzept des Badebetriebs.

1810 nahm er einen Ruf an die in Gründung befindliche Universität in Berlin an, blieb aber Halle, auch durch den Badebetrieb, bis zu seinem Tod verbunden. In Berlin selbst musste er sich seine besondere Stellung innerhalb der Kollegenschar erkämpfen, Übereinstimmung fand man großenteils in politischen Fragen. Als Patriot verbündete er sich mit etlichen Universitätskollegen und Prominenten gegen die Napoleonische Fremdherrschaft. Er wurde zum Direktor der Preußischen Lazarette links der Elbe ernannt. Im Rahmen dieser Tätigkeit infizierte er sich mit Typhus und starb bei seiner Schwester in Halle.

2009 ehrte Halle Johann Christian Reil zum 250. Geburtstag durch die Aktion „Halle liest“, in dem ein Porträt aus „Literaturbausteinen“ hergestellt wird. Zahlreiche Vorträge, Lesungen und ein Lese-Buch rund um Reil vervollständigen das Jahresprogramm.

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