Bildung im Vorübergehen:

Willy-Brandt-Straße

Zusatzschild-Text:
sozialdemokratischer Politiker, Außenminister, Bundeskanzler der BRD (1969–1974), 1971 Friedensnobelpreis
Spender:
gespendet von den Euro-Schulen Halle
Status:
realisiert am 14.12.2016

Willy Brandt (1913–1992)

Am 18. Dezember 1913 wurde Willy Brandt mit dem Namen Herbert Ernst Karl Frahm als Sohn der Verkäuferin Martha Frahm in Lübeck geboren. Seinen Vater John Möller, einen Lehrer aus Hamburg, lernte er nie kennen. Herbert Frahm wuchs bei seinem Großvater Ludwig Frahm auf, der ihn an die SPD heranführte. So war Herbert Frahm ab Herbst 1925 Mitglied der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde, ab April 1929 der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ).

Bereits als Schüler veröffentlichte er politische Texte in der örtlichen SPD-Zeitung Lübecker Volksbote. Mit 16 Jahren trat er der SPD bei, schloss sich aber bald darauf der von der SPD abgesplitterten linksorientierten Gruppe, der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) an, da ihm die SPD nicht kämpferisch genug erschien. Weil seine finanziellen Mittel ein Studium nicht erlaubten, begann Frahm im Mai 1932 ein Volontariat bei einer Schiffsmaklerfirma in Lübeck.

Nach dem Machtantritt Hitlers und dem Verbot der Partei nahm Herbert Frahm den Namen Willy Brandt an und floh nach Norwegen, um hier gegen den Nationalsozialismus zu wirken. Formal Student der Geschichte, baute er in Oslo einen Auslandsstützpunkt seiner Partei auf und knüpfte enge Kontakte zur norwegischen Arbeiterpartei. Er schrieb Artikel für norwegische Zeitungen und leitete die Zentrale des SAP-Jugendverbandes SJVD. Im Herbst 1936 hielt er sich getarnt als norwegischer Student unter dem Decknamen Gunnar Gaasland in Berlin auf und im folgenden Jahr berichtete Brandt für mehrere norwegische Zeitungen aus dem Spanischen Bürgerkrieg.

Wegen seiner Aktivitäten im Widerstand bürgerten ihn die deutschen Behörden 1938 aus. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Besetzung Norwegens durch deutsche Truppen musste Brandt nach Schweden fliehen. Dort erhielt er 1940 die norwegische Staatsbürgerschaft (die er bis 1948 innehatte). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte Willy Brandt als Korrespondent für die skandinavische Presse nach Deutschland zurück, um über die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher zu berichten.

Nach dem Krieg und Brandts Rückkehr nach Deutschland begann sein politischer Aufstieg in der SPD. 1949 wurde er Mitglied des Deutschen Bundestages, 1955 bis 1957 war er Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses. 1957 wurde er Regierender Bürgermeister von West-Berlin und Präsident des Bundesrates. Im Jahr darauf wurde er zum Landesvorsitzenden der Berliner SPD gewählt und Mitglied des Bundesvorstands der SPD, 1964 schließlich Parteivorsitzender der SPD. Erst 1987 gab er dieses Amt auf und wurde zum Ehrenvorsitzenden der Partei ernannt. Als Regierender Bürgermeister des Westteils von Berlin setzte sich Willy Brandt leidenschaftlich für die Freiheit der Stadt ein und erwirkte die Unterstützung der Westmächte nach dem Mauerbau im August 1961.

Bei den Bundestagswahlen 1961 und 1965 trat Willy Brandt noch vergebens als Kanzlerkandidat der SPD an. Im Kabinett der von Kurt Georg Kiesinger geführten Großen Koalition war er Bundesaußenminister und Vizekanzler. 1969 wurde er schließlich der erste sozialdemokratische Bundeskanzler in einer sozial-liberalen Koalition aus SPD und FDP. Ziele seiner Politik waren u. a., die Bonner Republik nach innen und nach außen zu öffnen, die Einführung des Wahlrechts ab 18 Jahren (statt bisher 21) und der Erlass von Gesetzen zur Gleichberechtigung der Frau. In seiner Antrittsrede betonte er: „…wir wollen mehr Demokratie wagen!“

Gegenüber den Ost-Staaten setzte Willy Brandt auf eine Entspannungspolitik, mit welcher die DDR und die von den Besatzungsmächten mit dem Ende des 2. Weltkrieges gezogenen Grenzen anerkannt werden sollten. Brandt wollte damit erreichen, dass die Grenzen durchlässiger wurden und am Ende Deutschland, und schließlich Europa, wieder vereint wäre. 1970 traf Brandt zu diesem Zwecke den Ministerpräsidenten der DDR Willi Stoph in Erfurt und in Kassel. Die mit Polen und der Sowjetunion abgeschlossenen Ost-Verträge vereinbarten Gewaltverzicht und die Respektierung der bestehenden Grenzen. Weltweit für Aufsehen sorgte der Kniefall Willy Brandts am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos, womit er um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs bitten wollte. Für seine „Politik der Versöhnung“ wurde ihm 1971 der Friedensnobelpreis zugesprochen.

Die Regierungsopposition hingegen wertete die Ostverträge als Verlust der Selbstbestimmung aller Deutschen, als eine Gefährdung der deutschen Einheit. 1972 stellte die CDU/CSU einen Misstrauensantrag gegen Willy Brandt, aus dem Brandt als Sieger hervorging. Bei den daraufhin angesetzten Neuwahlen, unterstützt durch zahlreiche Intellektuelle, u.a. Günter Grass, erzielte die SPD ihr bis dahin bestes Wahlergebnis in der Geschichte der Partei.

Zwei Jahre nach diesem Erfolg war Brandt jedoch gezwungen vom Amt des Bundeskanzlers zurückzutreten, nachdem ein Mitarbeiter im Kanzleramt, sein persönlicher Referent Günther Guillaume, als DDR-Spion enttarnt worden war. Willy Brandt blieb Parteivorsitzender, Helmut Schmidt wurde der neue Bundeskanzler.

Als Präsident der Sozialistischen Internationale (1976) engagierte sich Brandt weltweit für Frieden, Demokratie und für Menschenrechte. Die von ihm geleitete Nord-Süd-Kommission legte 1980 einen Bericht mit wegweisenden Vorschlägen für die globale Entwicklung vor. Dem atomaren Wettrüsten stellte er sich mit Vehemenz entgegen.

Als im November 1989 die Berliner Mauer wieder geöffnet wurde, ging für Willy Brandt ein Traum in Erfüllung, er empfand es als „etwas Großartiges: wir erleben, dass die Teile Europas wieder zusammenwachsen.“ In seinen „Erinnerungen“ (1989) resümiert er: „Mein eigentlicher Erfolg war, mit dazu beigetragen zu haben, dass in der Welt, in der wir leben, der Name unseres Landes und der Begriff des Friedens wieder in einem Atemzug genannt werden können.“

Willy Brandt war dreimal verheiratet. Mit der Norwegerin Carlota Thorkildsen hatte er eine Tochter, mit der Norwegerin Rut Bergaust hatte er drei Söhne. Zuletzt war mit Brigitte Seebacher verheiratet. Nach schwerer Krankheit starb Willy Brandt am 8. Oktober 1992 in Unkel bei Bonn. Er ist auf dem Waldfriedhof in Berlin-Zehlendorf begraben. Anlässlich eines Staatsaktes zu Ehren Willy Brandts am 17. Oktober 1992 würdigte ihn Helmut Kohl: „Willy Brandt sah es als seine Aufgabe an, Brücken zu bauen: Brücken über Stacheldraht und Mauer hinweg, Brücken zu unseren östlichen Nachbarn und (...) Brücken zwischen Nord und Süd. Er verstand sich immer als Deutscher, als Europäer und als Weltbürger zugleich.“

Antje Löhr-Dittrich


Quellen:

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